Alpenüberquerung "E5" - von Trient nach Verona

Vorbereitung und Anreise

Den 3. und letzten Teil dieser Alpenüberquerung haben wir mit 10 Sachsen gemacht. Dazu kamen noch zwei junge Frauen aus Berlin. Wie schon 2017 nutzten wir die Bahn, dieses Mal bis Trient. Am Samstag, dem 23.06.2018 starteten wir in Freiberg um 06:25 Uhr  und erreichten Trento um 18:02 Uhr. Da wir diese Stadt nach der 2. Etappe nicht besichtigen konnten, gab es eine Übernachtung im Hotel Buonconsiglio. Wenn sich jung und alt ein Zimmer teilen , braucht man unbedingt Ohropax wegen der Schnarchgeräusche. 
Am Sonntag besichtigten wir Trient mit seiner alten Geschichte , dem Dom, den freskenverzierten Häusern zum Konzil der Gegenreformation von 1545 usw..  Dann nahmen wir am Nachmittag den Zug nach Levico Terme, wo die Wanderung beginnen sollte. Schon am Bahnhof gab es ein großes „Hallo“, denn wir trafen unsere Wanderführer Kira vom letzten Mal und Hans. Nach einem Fußmarsch von 30 Minuten erreichten wir das Hotel “Paoli” in Lochere südlich von Levico Terme. In dieser Nacht zog ein Gewitter vorbei, das am nächsten Vormittag die Fernsicht unmöglich machte, aber wenigstens für angenehme Temperaturen sorgte.

 

Von Locherne zum Refugio "Stua"

 Am Montag gab es 7 Uhr Frühstück und 45 Minuten später starteten wir unweit vom Hotel am ersten Wegweiser der E5 an der kleinen Kapelle „Santa Giuliana“ auf 499 m NN, bei leichtem Nebel aber angenehmen Temperaturen. Ein ziemlich steiler Aufstieg von Lochere auf dem „Kaiserjägerweg“ über Spiazzo Alto (1291 m) und Baita Cangi (1370 m) zum Albergo Rovere (1255 m) brachte uns zum Gasthof am Pass mit der ersten Berührung mit den Bauten aus dem 1. Weltkrieg. Ein Bus brachte uns nach Carbonara (1074 m), Fahrzeit ca. 30 Minuten. Nachmittags wanderten wir über Malga Clama zum Ex-Forte Cherle (1436 m). Das war eine weitere Begegnung mit Bunkern, Schützengräben und Kasematten. Nachdem wir uns die Stellungen der Geschütze angesehen hatten, ging es weiter zum Coe Pass (1610 m). Dort trafen wir  um 17:45 Uhr in unsrem Übernachtungsrifugio „Stua“ ein. Ein anstrengender Einlauftag lag hinter uns.  Die Tour war 19 km lang, hatte im Aufstieg 1500 HM (Höhenmeter) und im Abstieg 150 HM. Der Aufstieg war somit 200 m mehr als im Plan gestanden hatte. Der Nieselregen am Ende der Wanderung war schnell vergessen als wir mit 5 Personen ein 7-Bett-Zimmer mit Bad bezogen und nach dem Abendessen die Tour auswerteten bzw. den nächsten Tag besprachen. Der sollte noch einen Zacken schärfer werden… Diese Ankündigung hatte wohl einen Wanderer an seinen Möglichkeiten zweifeln lassen, denn am nächsten Morgen hatte er Symptome eines Herzinfarktes. Die Berliner Ärztin, konnte kein Risiko eingehen und holte den Notarzt. Der nahm ihn mit ins Krankenhaus. Seine Frau und auch die Freundin  blieben auch gleich zur Betreuung unten im Tal und so waren wir plötzlich nur noch 9 „kleine Negerlein“ in der Gruppe, für 2 Tage. Dann stießen die drei wieder hinzu, denn der Patient hatte sich wohl nur „verrückt“ gemacht.

 

Vom Refugio "Stua" zum Refugio "Lancia"

Der Dienstag begann nach dem Notarzteinsatz erst 9 Uhr. Dafür war der Himmel stahlblau. Vom Coe Pass über Monte Maggio (1855 m), Coston de Laghi (1873 m), Monte Borcoletta (1759 m) zur Malga Borcoletta (1207 m) gelangten wir in 3 Stunden und waren damit 30 Minuten schneller als geplant. Zur Mittageinkehr ließen wir es uns schmecken und genossen das schöne Wetter. Am Nachmittag ging es wieder aufwärts zum Malga Costa (1845 m) und über Sorgente (1828 m) und Sella de Pozze (1903 m) weiter zum Rifugio Lancia (1825 m). Dort um 18:15 Uhr angelangt, sagte die interne Routenmessung: Gesamtgehzeit eingehalten, aber mit 19 km waren auch 2 km mehr auf dem Tacho. Auch bei Auf- bzw. Abstieg hatten wir je 150 HM mehr: Aufstieg 1350 HM,  Abstieg 1150 HM.

 

Vom Refugio "Lancia" zum Refugio "Campogrosso"

Der Mittwoch sollte der beeindruckendste Tag dieser Wanderwoche werden. Vom Rifugio Lancia zur Bochette delle Corde (1880 m) starteten wir um 7:45 Uhr. Es ging in das geschichtsträchtige Pasubio Gebietes, weiter auf dem Panoramaweg entlang der Roite zu den Kampfstätten des Ersten Weltkrieges. Überschreitung der drei bedeutendsten Pasubio Gipfel: Dente Austriaco (2203 m), Dente Italiano (2220 m) und Cima Palon (2232 m, dem höchsten Gipfel im Pasubio Massiv). Hier besichtigten wir Stellungen, Bunker und Tunnel und fanden immer wieder Granatenreste als Splitter, Schrapnells. Der Abstieg zur Kapella Santa Maria dell Pasubio, zum Triumphbogen Arco Romano (2035 m) und zum Rifugio Papa (1928 m), schafften wir bis 12 Uhr. Dort machten wir bei bestem Wetter eine Mittagspause. Als diese zu Ende ging, wechselte das Wetter immer mehr zu Wolken und Nebel, aber immer wieder kamen auch der blaue Himmel und die Sonne durch. Den lt. Programm vorgesehenen Abstieg über die „Straße der Helden“ zum Fugazze Pass (1162 m), machten wir nicht. Er soll auf einer 4 m breiten Schotterpiste durch viel Wald verlaufen, und das 3 Stunden lang. Auch den anschließenden Fußmarsch zum Rifugio Campogrosso (ca. 2,5 Std.) oder mit dem Shuttle Bus zum großen Pasubio Denkmal und zum Rifugio Campogrosso (1456 m) machten wir nicht – das war das Tagesprogramm unserer 3 ausgegliederten Wanderer. Wir machten etwas Neues, das 2017 von Hans und weiteren Wanderführern getestet worden war und die Teilnehmer als Highlight bezeichnet hatten. Wir stiegen durch 52 militärische Tunnel aus dem 1. Weltkrieg nach Xomo auf 1058 m NN ab. Diese Tunnel waren natürlich nicht ausgebaut sondern spitz- und scharfkantig, unbeleuchtet und teilweise nass oder feucht. Horst war immer der letzte Mann unserer Gruppe, aber hier konnte ich nicht mithalten und musste meinen Augen zufolge etwas langsamer gehen. Immer wenn wir aus einem Tunnel wieder ins Freie gelangten holte ich den Rückstand auf, da auch viel fotografiert wurde. Herrliche Tief- und Weitblicke wechselten mit Nebelschleiern ab. Es war einfach gigantisch. Nach 2 Stunden wollten unsere 2 Berlinerinnen eine Pause einlegen, gemacht wurde sie aber erst nach dem 26. Tunnel! Und genau in diesem geschah dann ein Unfall. Wir waren schon fast wieder im Freien, das Tageslicht erhellte schon den Boden des Tunnels. Ich trat mit dem rechten Fuß auf einen größeren und feuchten Stein, rutschte aus und stürzte vornüber. Aber ich donnerte trotzdem auf meine Knie und mit der Stirn an die grobe Tunnelwand. Es war Blut, das da aus einer tiefen Platzwunde am Kopf tropfte. Sofort waren Ärztin und die Apothekerin mit weiteren Helfer zur Stelle.keine erste Hilfe. Die Blutungen konnten gestillt werden. Mit Druckverband als Kopfverband kam ich wieder auf die Beine. Keine Gehirnerschütterung und so konnte ich mit Helfenden ins Tal absteigen und alle Tunnel durchqueren. Nach 2 Stunden kamen wir dann durch den letzten Tunnel und danach zum großzügig gestalteten Eingang „Strade Delle 52 Gallerie“ in Posina am Pass Xomo an. Hierher hatten die Wanderführer Taxis bestellt, die uns zur Unterkunft Rifugio Campogrosso auf 1456 m NN bringen sollten. Ich musste noch in die Notfallambulanz. Dort gab es eine Lektion, wie ein Krankenhaus organisiert sein sollte. Nach 20 Minuten war ich versorgt und mit 7 Stichen genäht. Mit wenig Englisch, aber ständigen Übersetzungen per Handy fragte die Ärztin mich ab und belehrte mich auch über die Arbeiten, die sie machen wird und wie ich mich bei bestimmten Symptomen an den Folgetagen verhalten muss. 
Wir hatten als Unterkunft ein 10-Bettlager für 6 Personen. Unsere wandernde Ärztin konnte mich hautnah überwachen, aber es wurde nicht notwendig. Entfernung an diesem Tag war mit  14 km – Aufstieg 450 HM – Abstieg 1100 HM war für die „alte“ Variante vorgesehen, die „52 Tunnels“ erhöhen den Abstieg noch 500 HM.

 

Vom Refugio "Campogrosso" nach Boschetto

Der Donnerstag sollte unser Abschlusstag werden. Erst um 8:15 Uhr starteten wir, denn der Tag war nur mit 5 Stunden angesetzt. Den Aufstieg zur Bochetta dei Fondi (2084 m) in 2,5 Stunden schafften alle, wenn auch mit häufigen Stehenbleiben, Schnaufen, Fotografieren. Hier hat man, meiner Meinung nach, die Grenze zu den Leistungen eines Über50gers gespürt. Ein Teil der Gruppen machte mit Hans einen Abstecher und bestieg den Carega Gipfel (2259 m), den höchsten Gipfel der Piccolo Dolomiti. Auf den Gipfel wollte mich Hans nicht mitnehmen, ich sei doch nicht fit genug nach dem Unfall… Ich wollte ihm schon schriftlich die Teilnahme auf eigene Verantwortung erklären, da ging es doch. Als wir dann den Gipfelgruß bekamen, meinte Hans: „Harter Hund“. Mein Enkel war auch mit und er war der Erste am Gipfelkreuz. Von dort oben hatte man eine traumhafte Aussicht auf den Gardasee und 360°-Rundumsicht über die Bergwelt. Zum Aufstieg hatten wir die angezeigte Zeit von 50 Minuten eingehalten und auch noch unsere Rucksäcke am Bocchetta Mosca deponiert. Der Abstieg zum Rifugio Scarlorbi (1767 m) war flott und dauerte keine Stunde. Dort trafen wir uns mit der anderen Truppe und stiegen langsam, manchmal sehr langsam durch die Schlucht des Valle di Revolto, dem anschließenden Waldgebiet zum Rifugio und Berggasthaus Boschetto (1151 m). Für den Abstieg haben die geplanten 2 Stunden nicht ausgereicht. 16:30 Uhr war ich der erste von Kiras Gruppe, der das Berghaus Boschetto erreichte, die andere Gruppe war schon da. Wir waren 13 km unterwegs, sind mindestens 600 HM aufgestiegen – der Abstieg war mit 1100 HM wieder um 200 HM mehr ausgefallen (Bergbesteigung exclusive). Essen und Trinken auf dieser Hütte war wieder sehr gut. Wenn die Massenquartiere nicht gewesen wären, könnte man komplett zufrieden sein. Nach einer Abschlussrede unseres Alterspräsidenten bekamen wir von Kira die Zertifikate für diesen 3. Teil und jeder einen Stein von der „E5“, ich einen besonders scharfkantigen als Erinnerung an meine Kopfwunden.

 

Auswertung und Rückreise

Am Freitag verließen wir frühzeitig unser Quartier, da wir den Linienbus nach Verona nehmen mussten. Taxis brachten uns 7:15 Uhr nach Giazza und zum Ende der Hochgebirgslandschaft. Nach 90 Minuten Busfahrt stiegen wir bei 30°C am Bahnhof in Verona um 9:45 Uhr aus dem Bus, verabschiedeten uns von unseren jungen Berlinerinnen und liefen ins Hotel. Den Zusatztag hatten wir selbst organisiert, wer kommt nach Verona und sieht sich nichts an! Es ging zur Stadtbesichtigung, die man unbedingt ranhängen muss. Verona zieht u.a. mit dem Amphitheater und dem Balkon der „Julia“. Auch sonst gibt es viele Gelegenheiten, “Altes Italien” zu bestaunen. Wer vorbestellt hatte, konnte die französische Oper „Carmen“  im Amphitheater ansehen, musste mit einer langen Spielzeit rechnen! Nach dem letzten Frühstück stiegen wir um 9:04 Uhr in den Zug und kamen trotz leichter Verspätungen in Rosenheim wie geplant um 21:39 Uhr in Freiberg an.
Fazit: Der dritte Teil war wieder körperlich anspruchsvoller als der zweite, aber nicht ganz so, wie Oberstdorf-Meran.