Alpenüberquerung "E5" - von Oberstdorf nach Meran

Vorbereitung und Anreise

Meine Ehefrau, ein Wanderer aus unserer Wandergruppe und ein ehemaliger Arbeitskollege komplettierten das Team, das von der Bergschule Oberallgäu geführt wurde. Da es mehrere Versionen dieser Hochgebirgstour gibt, haben wir lange gerätzelt, wo wir hinpassen könnten. Dann haben wir uns gegen die Variante „Über 50 (Jahre)“  entschieden, obwohl wir alle  schon die 60 überschritten hatten. Der Preis von 825 Euro war akzeptabel und fuhren mit dem PKW. Ich hatte auch preisgünstige Versionen mit Bahn und Bus gesucht, aber keine gefunden. Am 20. August erreichten wir ohne Stau wir die Pension „Binz“, checkten ein und stellten das Auto für 4 Euro pro Tag auf einem privaten Platz ab. 
Am Sonntagmorgen packten wir unsere Rücksäcke neu, in Erwartung des seit Tagen angekündigten schlechten Wetters für diesen Tag und die Taschen mit den sauberen Sachen, die nach Meran transportiert wurden für die Rückfahrt. Um 12 Uhr trafen sich die beiden Wandergruppen am Bahnhof, wurden aufgeteilt und erhielten einen kleinen Tagesrucksack. 

 

Von Oberstdorf zur Kemptner Hütte

Mit mit dem Taxikleinbus fuhren wir bis zur Jausenstation „Spielmannsau“. Dort hieß es, 15 Minuten zur Talstation der Materialseilbahn der Kemptner Hütte zu laufen, Tagesrucksack zu packen und den großen Rucksack abzugeben. Dann ging es bei Nieselregen bergan. Der Regen verstärkte sich, je höher wir kamen. 14 Uhr kam aber die Sonne hervor und als wir um 15:20 Uhr Kaffee tranken, hatten wir schon ein Zimmer mit 5 Doppelstockbetten bezogen. Die Kemptner Hütte liegt 1845 m hoch. Wir erreichten sie nach 6 km in 2,5 Stunden und überwanden 876 Höhenmeter. Sie sollte auch die komfortabelste Berghütte dieser Tour sein. Es ging hier alles gut organisiert, eben „deutsch“ vonstatten. Wer festgestellt hatte, zu viel Gepäck eingepackt zu haben, konnte ein Paket schnüren, das mit der Seilbahn bergab und zur Taxizentrale gebracht werden sollte. 17:45 Uhr gab es Abendessen als 3-Gänge-Menü, die Einweisung für den nächsten Tag und den voraussichtlichen Wetterbericht für die Woche: Ohne Regen! 22 Uhr war wie in allen Alpenhütten Hüttenruhe, wir schliefen sehr gut trotz  mehrerer Schnarcher. 

 

Von der Kemptner Hütte zur Memminger Hütte

Der Montag begann mit einem Duscher, der schon 4:45 Uhr seine Müdigkeit abspülen musste. Wir anderen hielten es noch 30 Minuten länger in unseren Schlafsäcken aus, erst dann begann der morgendliche Ablauf, der sich so täglich wiederholen sollte: Waschen, Rucksack packen und Schlafstelle ordentlich verlassen. Um 6 Uhr gab es Frühstück und 6:45 Uhr war Abmarsch zur Tagesetappe.
Schon 7:15 Uhr durchquerten wir das Mädelejoch auf 2093 m und vollzogen den Grenzübertritt nach Österreich und stiegen ab. Der Abstieg führte durch das Höhenbachtal mit dem Simms-Wasserfall nach Holzgau auf 1070 m im Lechtal. Nachdem wir eine lange Fußgängerhängebrücke unterquert hatten machten wir an der Kirche ab 10 Uhr Pause. Dann holten uns 2 Bergtaxis ab. Die Fahrt führte über 13 km nach Madau in 1400 m Seehöhe, Aspaltwandern sollte nicht sein!. Dort packten wir um 11:45 Uhr unsere Rucksäcke in die Materialseilbahn zur Memminger Hütte. Sie wurden so auf 2242 m transportiert, wir wanderten. 14:15 Uhr hatten wir es geschafft. Bei Kaffee und Kuchen bereiteten wir uns für den Aufstieg zum Seekogel auf 2412 m vor. Die Nachmittagsbesteigung machte ich allerdings nur mit einer jüngeren Wanderin, alle anderen drückten sich oder spekulierten auf eine „Nachtbesteigung“. Nach dem Abendessen ging tatsächlich ein Großteil der Gruppe geführt zum Gipfelkreuz des Seekogels. Es dunkelte schon als sie zurück kam.
Heute hatten wir 1150 Hm bergauf und  980 bergab und 10 km zurückgelegt, die Vorgabezeit waren 5 Stunden.

Von der Memminger Hütte nach Zams

Am Dienstag waren wir nach dem Abmarsch um 8:15 Uhr an der Seescharte auf 2093 m. Dann ging es teilweise steil bergab. Um 10:30 Uhr erreichten wir die Jausenstation im Lochbachtal, wo wir eine Stunde pausierten, aßen, tranken, schwatzten und das „Herzhäuschen“ besuchten. An dieser Stelle weideten verschiedene Rinderrassen, die sich allesamt nicht um die Touristen kümmerten. Mit vollem Gepäck quälten wir uns dann zum und durchs Zamser Loch. Wer hier Höhenangst hat, braucht wesentlich mehr Zeit als geplant. Wir waren betroffen und Wanderführer Michi fand eine Lösung für die nächsten beiden Etappen,  die ähnlich gestaltet waren. So erreichten wir gegen 16 Uhr das Hotel „Gemse“ in Zams, wurden per Obstler begrüßt, bezogen das Zimmer und gingen nebenan beim Bäcker zum Kaffeetrinken. Danach genossen unsere müden Knochen die Badewanne. Dort ließ es sich auch gut resümieren: 420 Höhenmeter im Aufstieg, 1850 m im Abstieg, 14 km in geplanten 7 Stunden. Hier haben wir die Schmutzwäsche der letzten Tage deponieren können bis zur Rückfahrt aus Meran. Man glaubt gar nicht, wie schwer schmutzige Wäsche sein kann – jedes Gramm im Rucksack zählt.

Von Zams zur Braunschweiger Hütte

Der Mittwoch begann mit voller Gepäcklast, 7:45 Uhr marschierten wir zur Vernet-Gondelbahn. Oben am 2208 m hohen Krahberg begann 8:30 Uhr der Marsch ins Tal. Um 10:30 Uhr erreichten wir die Jausenstation Gaflunalm mit pausierten 30 Minuten. Dann ging es weiter nach Wenns auf 1000 m ü. NN. Wenns erreichten wir um 12:30 Uhr. Nach einer ausgiebigen Mittagspause brachte uns der Taxibus durchs Pitztal bis Mittelberg. Individualisten müßten wieder mit Asphalt auskommen. Die Sonne brannte auf 1700 m als wir 13:15 Uhr Mittelberg erreichten. In 25 Minuten erreichten wir die Materialseilbahn zur Braunschweiger Hütte. An der Jausenstation machten wir Pause und stiegen bei gleichbleibenden Temperaturen um 14:30 Uhr weiter zum Wasserfall empor. In voller Sonne, aber nur mit Tagesrucksack erreichten wir 17:08 Uhr die Braunschweiger Hütte auf 2760 m. Unser Matrazenlager war zu ebener Erde und mein Nächtigungsplatz war sehr dunkel, nichts für meine Augen. Nur gut, dass ich die Stirnlampe dabei hatte. Es gab aber WLAN gegen Gebühr, ein kleiner Ausgleich für die Enge im Speiseraum. Dafür war das Essen toll. Tagesfazit: 1050 m im Aufstieg, 1200 m im Abstieg, 14 km in 6 Stunden und großer Hitze.

Von der Braunschweiger Hütte zur Martin-Busch-Hütte

Am Donnerstag stiegen wir auf das fast 3000 m hohe Pitztaler Jöchl und dann hinab zum Söldner Skigebiet. Als wir dort gegen 8:50 Uhr ankamen bot sich uns ein Bild der Verwüstung: Das eine war die asphaltierte Straße samt Parkplatz mit der maschinell plattgedrückten Abfahrtspiste, das andere war der stark zurückgegangene Gletscher. Meine Frau hatte 2002 an dieser Stelle noch Sommerskifahrer bewundern können, jetzt ist nichts mehr möglich. Wir pausierten kurz und wegen einer 5 Minuten früheren Abfahrt des Linienbusses, schaffte es Karin nicht mehr. Michi kam mit ihr und seinem Freund im Kleinbus die 2 km lange Strecke im Gletschertunnel zum Tiefenbachgletscher nach. Der wohl nicht der deutschen Sprache richtig mächtige Fahrer hatte uns noch 300 m weiter vom Einstieg in den Panoramaweg nach Vent abgesetzt. Dort begann 9:15 Uhr unsere Tour über den Panoramaweg. Herrliche, aber auch traurige Blicke hatten wir auf die vielen, aber stark dezimierten Gletscherzungen. Bei einer langen Mittagspause am Weisseskar gingen eine Wanderin und ein Bergführer in den eiskalten Fluten kurz schwimmen. Weiter ging es und 13:45 Uhr erreichten wir nach einer Trinkeinlage von “Felsquellwasser” Vent. Wegen der Hitze machten wir bis 15 Uhr Pause und marschierten bis 18 Uhr zur Martin-Busch-Hütte auf 2500 m Seehöhe. Das alles unter vollem Gepäck und großer Hitze. An diesem Tag waren es nur 900 m bergan und  1100 m abwärts, aber durch den auftauenden Permafrostboden war ein Stück Weg verlegt wurden und mein GPS-Komoot hatte 23 km gemessen. Soll waren 20 km und 7 Stunden. In Vent stieß unsere aussetzende Bergfreundin wieder zu uns. In der Hütte war es sehr eng. Sowohl der Essensraum als auch das Doppelstockbettenlager waren überfordert. Mein Platz lag auf der Besucherritze, so eng, dass wir uns ständig beim Drehen berührten. Irgendetwas in mir stimmte nicht, ich glaube wegen der Hitze habe ich kein Auge zugetan. Dazu mindestens 3 Schnarcher gleichzeitig.

Von der Martin-Busch-Hütte zum Vernagt-Stausee

Am Freitagmorgen suchte ich die Toilette auf und hatte einen kräftigen Durchfall, entweder vom “Felsquellwasser” oder der eiskalten Cola am Vortag in Vent. Der legte sich zwar schnell, aber ich machte den nächsten Fehler, Kaffee zum Frühstück zu trinken. Das brachte einen Rückfall und ich marschierte geschwächt zur Similaunhütte auf 3014 m. Vor dem beeindruckendem Bild des Similaungletschers erreichten wir die alte Zollstation, eine Hütte in Südtirol gegen 9:15 Uhr. Ich fand schnell das rettende WC. Von der Hütte aus genossen wir den Blick auf die Ortlergruppe und pausierten. Wir hatten an diesem Tag viel Zeit, weil wir nicht zur Ötzifundstelle wollten. Diese ist nichts Besonderes, lediglich eine Säule verweist auf die Fundstelle in 70 Metern Entfernung und die ist vergletschert! Außerdem gab es auch keine Interessenten wegen den hohen Temperaturen. 10 Uhr begann der Abstieg durchs Tisental. Dank des erneuten langsamen Tempos hielt ich auf wackligen Beinen durch und wir erreichten 13:15 Uhr nach mehreren Pausen die Jausenstation am Vernagt-Stausee. Jetzt wurde gegessen und getrunken, die Hitze hatte uns austrocknen lassen, pro Person hatten wir seit der Similaunhütte mindestens einen Liter getrunken – trotzdem zu wenig. Ab 14:30 Uhr erfolgte der einstündige Bustransfer nach Algund, einem Stadtteil von Meran. Im Hotel fehlten 2 Zimmer. So führte man uns zur Pension Kapellenhof. Wir waren im Nachgang froh über dieses „Ausquartieren“, denn im Gegensatz zu unserer Gruppe hatten wir schöne und vor allem kühle Zimmer in einer Apfelplantage.

Auswertung und Rückreise

Das Abschiedsessen fand ab 20 Uhr statt. Wir tauschten die Internetadressen, bedankten uns auch finanziell bei unserem Wanderführer und gingen noch vor Mitternacht zu Bett. Auch nur 500 Hm im Aufstieg und 1200 m im Abstieg auf 12 km sind bei dieser Hitze eine Extrembelastung. Geplant waren 4 Stunden, wohl auch unter Druck für die Ötzifundstelle. 
Am Samstag marschierten wir 6:30 Uhr zum Frühstück im Hotel. Das was für einen italienischen Chef sehr gut und wir konnten schon 7:30 Uhr mit dem Bus abfahren.  Alles lief gut, kein Stau. Eine kleine Rast am Reschensee zeigte uns den Ortler in schöner Pose. In Zams holten wir unsere Schmutzwäsche ab und waren schon um 13 Uhr in Oberstdorf. 15 Uhr starteten wir zur Heimfahrt mit dem PKW. Ohne Stau erreichten wir 21 Uhr unsere Heimat.
Fazit: Diese Variante der Alpenüberquerung ist sehr zu empfehlen. Es muss aber unbedingt eine sehr gute Kondition vorhanden sein und man muss bei langen, steilen und steinigen Abstiegen trittsicher und geübt sein.