Elberadweg - Bericht von 2005 - von Dresden nach Magdeburg

Vorbereitung und Anreise

Wir hatten alles selbst organisiert und auch diesen Teil des Elberadweges von Dresden nach Magdeburg per Internet ausgesucht, immer flussabwärts, mit dem prophezeiten Gegenwind. Es wird schon nicht so schlimm sein, dachte ich – aber das war ein Irrtum. Einige Jahre später machte dann eine Bekannte die Strecke in die Gegenrichtung, mit Gegenwind bis Dresden. Da wir es vorziehen, zu wissen, wo wir abends unseren Kopf zur Ruhe legen, hatte ich pro Tag einen Plan inklusive der Übernachtungen gemacht, auch die Zimmer vorbestellt. Eine Karte vom Elberadweg sollte uns gut helfen, war aber damals infolge des Jahrhunderthochwassers in der Natur etwas abweichend. Wer diese Tour nachmachen möchte: Ohne Training wird das Sitzfleisch wund, kurze erste Etappe ist das wirksamste Mittel dagegen. Montag füllten wir die Packtaschen mit dem Notwendigsten, ohne Abendgarderobe, aber mit Wechselsachen für den Abend. Der Abend war kalt und verregnet.
7:35 Uhr saßen wir im Auto, die Räder auf der Haltevorrichtung der Anhängerkupplung. Ab ging es nach Dresden zum Wohnhof einer befreundeten Familie. Dort hatten wir die Gewissheit, dass das Auto nicht Schaden nahm oder gar verschwand. Ich machte die Räder fahrbereit, hängte die Packtaschen über. Links die täglichen Wechselsachen, rechts die Regensachen und oben drüber die Sachen, die wir jeden Abend benötigten. Gut organisiert, man lernt eben auch viel, wenn man reist und täglich aus dem Koffer leben muss.

Dienstag: Dresden - Strehla

Kaum 500 Meter gefahren, begann es zu regnen, wir stellten uns in einen Hausdurchgang, warteten und beratschlagten. Nach 10 Minuten wurde der Regen weniger und wir versuchten es erneut. Als wir unter der Marienbrücke angelangt waren, war der Regen wieder so stark, dass ein Weiterfahren ohne Regensachen einem Einweichen gleichgekommen wäre. Also, wieder warten und dann doch in die Regensachen schlüpfen, Überschuhe und Regenumhang. Ab ging es Richtung Neustadt. Obwohl wir diesen Teil schon einmal gefahren sind, haben wir uns wieder verfahren. Hinzu kam, wie sollten wir den Regenumhang so befestigen, ohne dass die Oberschenkel nass werden? Beim letzten Regen hatten wir die Enden in die kurzen Radlerhosen gesteckt, dafür nasse Füße bekommen. Es dauerte eine Weile bis wir herausgefunden hatten, dass der gesamte Umhang über den Lenker zu ziehen war. So nun abgesichert, wechselten wir von Straßenübergang zu Rad- oder Fußweg und zurück. Dresden war 2005 schlecht beschildert für Radler, auch andere haben sich ständig verfahren, wie wir am Abend erfahren haben.
Wir waren so 10 Kilometer gefahren, da wechselte ich vom Straßenübergang über eine 5 cm hohe Kante zum Radweg und dachte, “schöne Stelle um zu stürzen”. Ich fuhr über die nächste Kreuzung, da gerade mal “Grün” war und drehte mich nach meiner Frau um. Da ich ja auch unter “Vollschutz” fuhr, war das nicht so einfach und ich musste dazu anhalten. Da war mir doch so, als würde sie ihr Rad gerade aufheben. Ich fuhr zurück. Tatsächlich war sie an meiner “Denkstelle” gestützt. Lenker verdreht, Kettenschutz verbogen, Packtasche abgescheuert und  auf Oberschenkel und Rippen gefallen. Aber so richtig weh tat es erst am Abend, als sie wieder im Sessel saß. Sie ist sowieso Spezialist im Stürzen und Rippenprellen. Ich machte das später nach: Beim Säubern des Kofferraums vom Auto!
Wir fuhren nach Altkötschenbroda hinein. Ein kleines Städtchen, liebevoll restauriert, alles kleine Häuschen. Dort legten wir die Regensachen ab und fuhren weiter bis Meißen. Jetzt war kräftiger Gegenwild. Im Inneren habe ich mich verflucht, dann lieber Sonnenbrand, wenn wir gen Süden gefahren wären. In Meißen kam der nächste Regen. Wir warteten das Schlimmste ab, fuhren dann in Regensachen weiter. Die Planen wirkten wie Segel, wir kamen langsam voran. Aber der Regen hörte gegen 14 Uhr wieder einmal auf. Als der nächste Guss drohte, gingen wir in ein Cafe, aßen etwas und fuhren nach dem Guss weiter bis Riesa. Dort wollte ich mir den Marktplatz ansehen. 7 Kilometer Umweg führten uns zu einem Marktplatz, wo nur das Rathaus schön war, wenn auch nicht sehenswert.
Weiter ging es nach Strehla, wo uns die Abendsonne für den Umweg belohnte. Eine Überfahrt mit der Fähre im Abendrot entschädigte uns für einen wirklich anstrengenden Tag. Als wir auf dem Reiterhof ankamen, zeigte der Tacho 75 Kilometer an, zu viel für einen ersten Tag. Wir duschten und da ich vor meiner Frau dran war, legte ich mich aufs Bett – sie musste mich wecken.
Wir gingen Abendbrotessen. Nach 1 Liter Köstritzer-Dunkel legte ich mich gegen 21:30 Uhr ins Bett und erwachte 7 Uhr. Meine Frau schlief noch 30 Minuten länger, ein Zeichen, dass der Vortag sehr anstrengend war. Am Mittwoch, sollte es ein kürzerer Tag werden. 

 

Mittwoch: Strehla - Torgau

Bei Frühstück lernten wir ein 70-jähriges Ehepaar aus Dortmund kennen, das sich sehr lobend über die Leute im Osten Deutschlands und die Wege im Osten äußerten. Sie waren mit ihren Rädern schon in ganz Europa unterwegs, bis nach Spanien und Portugal. Zu guter letzt stellte sich bei Beladen der Räder heraus, das wir am Vortag die Beiden schon in Dresden unter einem gelben bzw. roten Regenumhang gesehen hatten, aber darunter erkennt man ja weiter nichts. Es sollte ein schöner Tag ohne Regen werden. Durch abwechslungsreiche Landschaft kamen wir nach 57 Kilometern nach Torgau. Der Hintern schmerzte. Aber wir hatten viel gesehen.
Eine kleine Stadtrundfahrt durch Strehla mit 5 Kilometern, die Landschaften bei Mühlberg, die alte Innenstadt mit “Roland” in Belgern und nun am Abend die herrliche alte Innenstadt vom Torgau mit Schloss Hartenfels und dem Bärenzwinger. Erst auf dem Marktplatz überraschte uns ein Regenguss. Wir schliefen im “Alten Bootshaus” direkt an der Elbe und am Radweg.

 

 

Donnerstag: Torgau - Wittenberg

Der Donnerstag sollte uns bis Wittenberg bringen, planmäßig 66 Kilometer. Am Ende waren es wieder 75 Kilometer. Dafür führte der Weg oft an Kornfeldern vorbei, wo roter Mohn, blaue Kornblumen und blauer Himmel immer wieder für überraschende Anblicke sorgten.
Wir haben hier viele Gruppen getroffen, die sich an diesen Feldern erfreuten. Sind diese Anblicke doch offenbar selten geworden, intensive Landwirtschaft duldet kein Ackerunkraut wie Mohn und Kornblume. Aber auch sehr interessant waren die Wege durch die Dörfer, vorbei an gepflegten Gärten, aber auch an Gebäuden, die aussahen, als wäre der letzte Krieg gestern hier beendet worden. Asphaltierte Radwege wechselten mit gepflasterten und reinen “Sommerwegen”, aber alle gut passierbar. Selten ging es auf eine Landstraße. Am Abend liefen wir vom “Sternenstädtchen”, unserer Unterkunft, ca. 10 Minuten bis in die Innenstadt, besuchten die Lutherdenkmale inklusive Kirchen und beendeten den Tag mit einem Abendessen beim Italiener auf der Straßenterrasse. Wittenberg kann man nicht beschreiben, man muss die Innenstadt gesehen haben und etwas Bezug zur Reformation haben. So ist alles den großen Söhnen des Mittelalters, von Martin Luther bis Lucas Cranach, gekennzeichnet. Vieles rankt sich um die 95 Thesen, die am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche genagelt wurden und damit die Reformation einläuteten. Optimal an diesem warmen Abend war es, draußen sitzen zu können und im Umfeld der geschichtsträchtigen Altstadt zu relaxen. Nebenbei hatte ich mir noch einen kleinen Sonnenbrand und eine rote Nase geholt und das, obwohl den ganzen Tag die Sonne von hinten schien. 

Freitag: Wittenberg - Walternienburg

Der Freitagmorgen begann mit vielen Wolken, wir mussten für 10 Kilometer wieder in die Regenbekleidung schlüpfen. Als wir mit der Fähre aber nach Wörlitz übersetzten war das schon Geschichte. Es gab zwar keinen stahlblauen Himmel, aber es regnete wenigstens nicht mehr. Den Wörlitzer Park wollten wir nicht besichtigen, ihn kannten wir schon. Trotzdem kamen die englischen Bauten in unser Gesichtsfeld. Wenig später machten wir bei Sonnenschein Mittag im “Forsthaus” – es gab Bockwurst und echte Himbeerbrause vom Fass. Anschließend begann das Suchen nach dem richtigen Weg nach Dessau. Die Ausschilderung wurde immer schlechter, was bis Magdeburg noch negativer werden sollte. So hatten wir hier schon einen Mehrweg von 10 Kilometern zu verzeichnen. Ursprünglich sollte der Tag nach 33 Kilometern in Dessau enden. Ich wollte mir die “Bauhaus”-Schönheiten ansehen und am letzten Tag die 66 Kilometer bis Magdeburg gut ausgeschlafen in Angriff nehmen. Für die “Schönheiten” fehlte uns offensichtlich der Fachverstand, praktische Industriebauten standen vor uns – dies hatte ich anders erwartet – aber wir konnten uns an die Briefmarken zur Bauhausserie erinnern und die waren auch so praktisch unschön. Aber was kam dann? Ich hatte mich offensichtlich in den Kilometern verrechnet. Dessau – Magdeburg wurden plötzlich mit 84 Kilometern ausgewiesen, zu viel für den letzten Tag, da wir ja 17 Uhr mit dem Zug zurück wollten. Also, Plan ändern, Unterkunft absagen und weiter über Aken bis Walternienburg, satte 84 Kilometer. Dort steht übrigens eine schöne, kleine Wasserburg von 923. Wir ankerten an einem kleinen Gasthof, fast menschenleer und bezogen eines von zwei Zimmern. Gegen 21 Uhr kamen 6 Leute, die es schafften, bis 3 Uhr morgens ständig unsere Nachtruhe zu stören. Sobald die Tür zur Gaststube aufging um einen Trunkenbold auf die Toilette gehen zu lassen, saßen wir im angrenzenden Raum im Bett. 
Das war der einzige Wermutstropfen in dieser Woche. Aber im nächsten Ort wären wir nicht untergekommen, wie sich am nächsten Morgen herausstellte als wir die Radler wiedertrafen, die uns schon die letzten Tage immer begegneten. 

Samstag: Walternienburg - Magdeburg

Blieben für den Samstag nach Magdeburg noch 46 Kilometer, welche, so dachten wir, kein Problem sein dürften. Aber gerade hier begann das Elberadnetz zu variieren und damit blickten wir nicht mehr durch. Waren wir nun auf einer Variante des Elberadwegs oder einem örtlichen Radweg? Das waren sicher noch Nachwehen des Hochwassers… Und gerade da machten wir einen Fehler, der uns am Ende wieder auf 70 Kilometer brachte. Wir fuhren einen riesigen Umweg und kamen über die Bundesstraße nach Magdeburg hinein. Dafür hat uns Magdeburg entschädigt. Einerseits, weil es keine richtige Altstadt mehr gibt, was offenbar ein Ergebnis der Bombardierungen im 2. Weltkrieg war und andererseits viele prachtvolle Kirchen und Stadtgebäude, die sehenswert sind, aber in der Anzahl nicht so viel Zeit beanspruchten, wie geplant. So besuchten wir den Dom, das Kloster, den Marktplatz mit dem Reiterstandbild vom Stadtgründer Kaiser Otto dem Großen und das Rathaus mit dem Denkmal für Otto von Guericke, der mit den Magdeburger Halbkugeln. Dabei lagen wir so gut in der Zeit, dass wir trotz Umwegen den Zug um 15 Uhr schafften.
Lange nicht Zug gefahren und dabei nicht mitbekommen, wie angenehm Zugfahren geworden ist. Kein Ruckeln, keine Schienenschläge, viel Platz und Platz für unsere Fahrräder – und das alles für 38 Euro. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Leipzig radelten wir in Dresden zu unserem Auto und waren 21 Uhr in Frauenstein. 
Das war unser Einstieg ins Flussradwandern. Mit den Erfahrungen g
ingen die nächsten Radwochen noch besser vonstatten.